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Hochseeträume im Binnenland

„Wir haben aber nicht nur Kugelschreiber und Feuerzeuge, sondern auch Charteryachten“, sagt der Mann – Typus aufgesetzt freundlicher, leicht aufdringlicher Versicherungsvertreter – in Halle 4. Die Angesprochene murmelt verlegen, während sie den Kuli einsteckt und sich davonmacht.
In der Tat gibt es hier mehr als Werbemittel. Boote so groß wie Einfamilienhäuser ragen vor den Besucher:innen gleich nach Betreten der ersten Halle der Tullner Bootsmesse in die Höhe. Durch fünf weitere Hallen strömen Menschen, von denen die meisten von Abenteuern auf hoher See wohl nur träumen. Es wird hier aber für alle finanziellen Möglichkeiten ausgestellt – vom Stand-Up-Paddelboard bis zur 700.000-Euro-Motoryacht ist alles zu haben, was sich im oder am Wasser einsetzen lässt. Es gibt Tauchausrüstung, Kajaks oder Tretboote zu bestaunen. Hausbooturlaube können gebucht und Segelboote in allen Preisklassen besichtigt und erworben werden – von der kleinen Optimistenklasse bis zu Hochseeyachten.
Doch die unerreichbaren Luxusboote sorgen für das meiste Interesse. Zur Besichtigung muss man nicht nur auf Plattformen und über Leitern klettern, sondern auch die Schuhe ausziehen. Trotzdem bilden sich vor den größten Booten die längsten Warteschlangen. „Ein bissl dekadent ist das ja schon …“, sagt eine zwischen den Bootsrümpfen durchschlendernde Frau.
Weniger dekadent ist die Messeverpflegung: Bratwürstel und Bier; manche gönnen sich einen Schweinsbraten. Die zwei Tische weiter Bier trinkende Männerrunde ist außer Hörweite. Herüber dringende Gesprächsfetzen lassen aber darauf schließen, dass hier kein Seemannsgarn gesponnen wird, sondern durchschnittliche binnenländische Männerwitze erzählt werden.
(Tulln/sl)

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