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Hurra!

„Wir können auch feiern“, ruft ein etwa 20jähriger Mann in das Mikrofon, „denn wenn diese Welt untergeht, dann können wir eine neue aufbauen! Also lasst uns feiern!“ Etwas unsicher lächelnd dreht er sich um. Musik schallt jetzt aus den Lautsprechern auf dem Pritschenwagen, der im Schritttempo inmitten der Großdemonstration gegen die Lobau-Autobahn fährt. Tausende haben sich am ersten Juli-Samstag im Zentrum Wiens versammelt. Sie protestieren gegen das Bauvorhaben, das auch einen Tunnel durch das Naturschutzgebiet am Stadtrand vorsieht.
Am Treffpunkt Karlsplatz sah die Menge noch klein aus. Locker verteilt standen um den Teich Menschengruppen. Vor der überdimensioniert wirkenden Bühne lauschten sie musikalischen Darbietungen und Reden gegen klimaschädliche Verkehrspolitik. Die Bilder von den nächtlichen Parties am selben Ort, die erst wenige Wochen zuvor in der letzten Phase des Corona-Lockdown stattgefunden hatten, überlagerten die Gegenwart. Hatten sich damals nicht viel mehr Menschen hier versammelt? Doch als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, wurde deutlich, dass auch heute sehr viele hier sind, um ein „zweites Hainburg“ anzukündigen.
Junge Frauen in weißen Mänteln, die sie als „Ordner:innen“ kennzeichnen, ermahnen Mitmarschierende, während der Demo Corona-Schutzmasken zu tragen. Ob es tatsächlich wie 1984 zu Besetzungen und entschlossenem Widerstand kommen wird, wenn die Autobahn gebaut wird? In die Proteststimmung an diesem Samstag scheint sich da und dort Ratlosigkeit zu mischen. Vielleicht ist es ja schon zu spät, und eine Straße weniger würde den Klimawandel wohl auch nicht stoppen. „Und wir singen im Atomschutzbunker: Hurra, diese Welt geht unter“, tönt es aus den Lautsprechern des Pritschenwagens.
(Wien/sl)

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