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Bekenntnis zum Späti

Am Halleschen Tor rauschen U-Bahn, Autos und Fahrradlieferanten ein paar Meter von den wenigen Tischen entfernt vorbei. Gerade herrschte noch feierabendliche Ruhe unter der Handvoll Gäste. Jetzt verlangt ein Späti-Gast von einem Dazugekommenen erbost und lautstark 500 Euro, die er diesem geliehen habe. Er warte bereits seit gestern. Es riecht nach illegalem Geldverleih. Die beiden Kontrahenten verschwinden mit einem Dritten um die Ecke. Die Ruhe kehrt zurück.
Die Bierauswahl hier gleicht der eines Getränkegroßmarkts. Und auch sonst gibt es alles, was man zum Leben braucht: Süßigkeiten, Snacks, Zigaretten. Der Späti ist eine Berliner Institution – hinsichtlich Verbreitung und sozialer Relevanz dem Wiener Würstlstand vergleichbar. In seinen Dimensionen überragt der Spätkauf den Würstlstand aber bei Weitem – handelt sich bei vielen Exemplaren doch um kleine Supermärkte mit improvisiertem Gastgarten. Dazu Öffnungszeiten, wie es sie nur in Berlin gibt.
Ein etwa 30jähriger lehnt sein Fixie an die Wand des Ladens und kauft sich eine Limo. Ein älterer Herr holt ein Paket ab – natürlich ist der Späti auch eine DHL-Station – und bleibt auf einen Kaffee und eine Zigarette. Ein Radfahrer stürzt an der nahe gelegenen Kreuzung, steht auf und schiebt sein Rad zum Späti. Dort holt er sich eine Flasche Wasser, um seine Abschürfungen abzuspülen und zu trinken. Nach einer Zigarette ist er wieder fahrbereit.
Ist gerade nichts zu tun, setzt sich der Verkäufer zu einem Stammgast. Und immer wieder Menschen aus der Nachbarschaft, die sich ein paar kalte Getränke mitnehmen und die wenigen sitzenden und sie beobachtenden Späti-Gäste nicht beachten. Sie sind so schnell wieder verschwunden wie sie gekommen sind, während jene, die sich hingesetzt haben, erst einmal sitzen bleiben. Es sei denn, dringende Geldgeschäfte stören die entspannte Stimmung.
(Berlin/sl)

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