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Buddha in den Weinbergen

„Da is ja net amal ein Handlauf“, sagt eine etwa 60jährige Frau, während sie die Stiegen erklimmt. Ihre Begleiterin bestätigt das bauliche Manko und zeigt auf den bröckelnden Putz. An dem erst im vergangenen Frühjahr fertiggestellten buddhistischen Stupa nahe dem niederösterreichischen Grafenwörth fällt Farbe von der Wand.
Bereits vor zehn Jahren hätte das religiöse Bauwerk 30 Kilometer nordwestlich bei Gföhl errichtet werden sollen. Nach einer FPÖ-Kampagne gegen den Stupa lehnten die Einwohner:innen der Stadtgemeinde den Bau ab. Dieser wurde ins Tullnerfeld, mitten in die Weinberge, verlegt – begleitet von Protesten.
Nun stehe ich davor und blinzle in die Höhe. Dort oben glänzt eine Buddhastatue in der Septembersonne. Quietschend öffnet sich die Fliegengittertür, die ins Innere führt. Heraus kommt ein Mönch und fragt in gebrochenem Deutsch, wo ich herkomme. Ich solle hineingehen, sagt er, und gern auch auf die Glocke draufhauen. Die Akustik sei toll. Außerdem verströme der Ort ganz viel Energie. Ich nicke. Er eilt davon.
Draußen verströmt dieser Ort vor allem Baustellenatmosphäre: Kübel stehen herum, eine Scheibtruhe, ein Baucontainer, der offenbar als provisorische Unterkunft dient. Drinnen erinnert die Szenerie an einen Pfarrflohmarkt: Gebetsfähnchen, Bücher, Dalai-Lama-Shirts, Räucherstäbchen. Die Akustik ist tatsächlich bemerkenswert. Steht man direkt unter der Kuppel, entsteht ein schnell schwingendes Echo – als wäre man unter dem Einfluss religionsstiftender Substanzen.
Zurück im Freien steige ich hinauf und blicke ins Tullner Becken. Der glänzende, überlebensgroße Buddha wirkt wie aus Plastik. Als ich neben diesem fast in meditative Stimmung gerate, verbellt mich ein Hund, der hier oben eine Runde dreht. Ich kehre auf die Erde zurück. Soeben erklärt der Mönch, aus seinem Container zurückgekommen, einer Familie, wie toll die Akustik drinnen sei.
(Grafenwörth/sl)

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