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Der erste Gast

Noch vor dem Weckerläuten wache ich in meinem Hotel im 2. Bezirk in Wien auf. Ein früher Zug bringt mich nach Znojmo. Vor mir liegen 300 Radkilometer quer durch Tschechien nach Linz.
Der Alkohol eines langen Abends lässt meine Muskeln tanzen, dennoch komme ich gut voran. Die Landschaft ist bereits ein wenig herbstlich. Die Ortschaften sind in der Regel kompakt, Zersiedelung scheint es kaum zu geben. Die bei uns ab den 50ern abgeholzten Alleen haben hier überlebt, ebenso die zahlreichen Nebenbahnen. Jede Siedlung hat eine Bus- oder Bahnhaltestelle, auf beinahe jedem Dorfplatz gibt es ein Wirtshaus und ein Lebensmittelgeschäft. Die Lautsprecher für Notfalldurchsagen prägen die Ortsbilder. Entlang der Wege stehen mehr Kreuze als in Niederösterreich.
Nach sechs Stunden erreiche ich Telč. Schulbeginn, Ende der Hochsaison und Pandemie lassen die sonst von Tourist:innen überfüllte Weltkulturerbestadt verlassen wirken. Ich zeige der Rezeptionistin das ausgefüllte Cov-19-Einreiseformular sowie mein Impfzertifikat. Doch weder sie noch sonst jemand interessiert sich dafür.
Der nächste Tag führt mich nach Třeboň. Das einstige Sumpfgebiet wurde ab dem 14. Jahrhundert urbar gemacht, mehrere tausend Teiche angelegt. Hier sind deutlich mehr Tourist:innen als in Telč, jedoch vorwiegend Einheimische. Der Pensionswirt sagt, ich sei heuer coronabedingt sein erster ausländischer Gast. Im Strandbad „Ostende“ genieße ich ein Bier und blicke auf das vollbesetzte Ausflugsschiff, von dem Livemusik ans Ufer schallt.
Zu Mittag des dritten Tages erreiche ich Rožmberk nad Vltavou. Ich nehme ein Bad in der Moldau und beobachte die letzten Paddler:innen der Saison.
An der Bahnstrecke Budweis-Linz gibt es Schienenersatzverkehr, die Busse nehmen keine Fahrräder mit. Die letzten 60 Kilometer nach Linz sind hart, erst ab Altenberg geht es kontinuierlich bergab.
(Wien, Znojmo, Telč, Třeboň, Rožmberk nad Vltavou, Linz/pm)

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