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Keine Freunde, keine Helfer

Hinter dem stacheldrahtbewehrten Zaun steht ein großes Gebäude. Schwarze Planen verdecken die Front im oberen Teil. Fenster und Türen im Erdgeschoss sind verbarrikadiert. Hinter den Abdeckungen verbirgt sich die Ruine des 3. Polizeireviers von Minneapolis. Im Mai 2020 wurde die Station von Demonstrant:innen abgefackelt. Mehrere Gebäude an der Lake Street brannten damals aus – und einige sind bis heute nicht instand gesetzt.
Die Proteste nach der Tötung von George Floyd haben Spuren hinterlassen – auch überraschende. In der Stadt fahren viele Autos mit schweren Blechschäden. „Da es die Polizei nicht schafft, Autofahrer zu kontrollieren, ohne diese gleich zu erschießen, gab es die Anweisung, überhaupt keine Kontrollen mehr durchzuführen“, sagt Ben, der ein paar Blocks südlich der Lake Street wohnt.
Der Mai 2020 ist den Bewohner:innen dieses Teils der Stadt noch sehr präsent. „Obwohl ich mit den Protesten sympathisiert habe, muss ich sagen: Das war keine tolle Zeit“, erzählt Ben. Unter die Demonstrant:innen mischten sich „outside elements“, wie die Leute hier sagen: Personen, die die Situation für eigene Anliegen nutzten – darunter Rechtsextreme und Provokateure. Zusammen mit den wütenden Protesten und einer gewaltbereiten Polizei eine gefährliche Mischung.
Viele blieben damals ab den Abendstunden zuhause. Manche Familien verließen die Stadt. Als schließlich die Nationalgarde durch die Wohnviertel marschierte und der Geruch von Tränengas über den Häusern hing, habe er sich gefühlt wie in einem Kriegsgebiet, sagt Ben. Doch die Miliz marschierte nicht zum Schutz der Bewohner:innen des Stadtteils auf, sondern gegen jene, die auch in dieser angespannten Situation weiter für Gerechtigkeit auf die Straße gingen. „Ich war noch nie ein großer Fan der Polizei“, sagt Ben, „doch seit damals weiß ich sicher: Wenn es hart auf hart kommt, ist keine Hilfe zu erwarten.“
(Minneapolis/sl)

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