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Krampus macht kein Selfie

Das Grauen beginnt, sobald man sich der Salzburger Altstadt in der Vorweihnachtszeit nähert: Menschen, wohin das Auge reicht. Jede Gasse verstopft, auf den Plätzen gibt es zeitweise kein Vorwärtskommen. Die Getreidegasse ist komplett zu. In wenigen Minuten soll sich hier eine Gruppe Perchten durchprügeln. Nunja, geprügelt wird kaum mehr – zu viel wurde während der vergangenen Jahre über alkoholisierte Krampusgewalt diskutiert. Die traditionellen Perchtengruppen verwandten mehr Zeit auf Distanzierungen als aufs Maskenschnitzen.
Warten in der Kälte, während sich andere immer näher vorbei- und heranschieben. Ein Kinderkrampus läuft zwischen den Wartenden durch. „Darf ich ein Foto machen?“ fragt eine Passantin die Mutter, die dem Nachwuchsteufel kaum hinterherkommt. Der ist schon zwischen dutzenden Beinen verschwunden.
Dann endlich passiert etwas. Von weitem schon ist eine auf einem Wagen stehende hölzerne Krampusfigur zu sehen. Diese zeigt an, wo die Perchtentruppe gerade läuft, wegen der hier heute noch mehr Menschen an ihren Glüheweinbechern nippen als sonst. Eine Handvoll Männer mit gelben Sicherheitswesten schreitet den Maskierten voran. Deren Glocken muss man jetzt folgen, denn die Sicht ist plötzlich von in die Höhe gereckten Handys verdeckt.
Ein paar Krampusse scheren aus dem Zug aus und laufen in die Menschenmenge. Kreischen, leichte Berührungen mit den Ruten – von den medial ausgebreiteten Prügeleien früherer Jahre ist nichts zu bemerken. Der dunkelrote Maskenmann springt zu drei Teenagern. Doch die fürchten sich nicht, sondern zücken die Handys im Selfiemodus und wollen den Gehörnten in ihre Mitte nehmen. Der ignoriert die Kinder und läuft weiter. Am Ende bleiben ein paar wenig gelungene Fotos und kalte Füße.
(Salzburg/sl)

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