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Meditationen im Waschsalon

Der Waschsalon ist ein ruhiger Ort. Zumindest am Vormittag. Am Nachmittag beziehen Kinder aus dem Park nebenan den Raum in ihre Spiele mit ein. Der Waschsalon ist der einzige überdachte öffentliche Ort, wo sie fast unter sich sind. Erwachsene sind nur selten hier. Die meisten Maschinen und Trockner warten still und geduldig auf Kundschaft. Etwa fünfzigmal Waschsalon kostet eine mittelpreisige Waschmaschine. Hier waschen nur mehr jene, die auf die Lieferung der eigenen Maschine oder auf den Reparaturtermin warten. Und die Spezialfälle. Riesige Trommeln verschlingen selbst die größten Bettdecken.
Betritt man den Waschsalon durch die Automatiktüren, weht einem ein Geruchsmix unterschiedlicher Waschpulversorten in die Nase. Bald schon gluckert und rumpelt und rauscht es. Jetzt könnte man spazieren gehen oder einkaufen, man könnte auf sein Handy starren oder in ein Exemplar der herumliegenden Gratiszeitung. Man sollte aber stattdessen der Trommel zusehen: wie sie sich dreht und die Richtung wechselt, wie sie stoppt und wieder startet, sich mit Wasser füllt, Schaumblasen spuckt und diese dann wieder verschwinden lässt. Waschmaschinenmeditation ist eine aussterbende geistige Übung – zu einfach ist es, sich ablenken zu lassen. Im Waschsalon sind die Ablenkungen zumindest beschränkt.
Die Beziehung zwischen den wenigen Waschsalonbenutzer:innen, die sich manchmal kurz begegnen, ist vertraulich. Man grüßt beim Betreten des Salons, man nickt freundlich, wenn man diesen wieder verlässt. Das Nicken des Gehenden, der es hinter sich hat, ist auch als Aufmunterung gedacht. Und tatsächlich – wendet man nun den Blick aufs Waschmaschinendisplay, sieht man: in 14 Minuten ist es schon wieder vorbei.
(Wien/sl)

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