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Vorort mit Meer

Gerade noch hat sich der Zug von den karstigen Höhen hinuntergeschraubt, da taucht schon das Meer auf. Die slowenischen Dörfer sind noch nicht weit weg und auch nicht die steirischen Täler vor diesen. Also ist Triest doch ein Vorort von Wien. Oder umgekehrt?
In den Cafébars am Hafen außerhalb der Touri-Zone lösen ältere Herren bereits um 9 Uhr früh die Probleme der Welt. Der kleine Schwarze ist nur ein Vorwand um herzukommen und auch bald geleert. Zeitungen wechseln die Hände, Zigaretten brennen ab und Vorbeigehende werden mit Kopfnicken gegrüßt.
Ein Rundblick zeigt: Schloss Miramare ist schon lange nicht mehr der Star des Golfs; und auch die Betonkirche oben am Karst, die aussieht wie ein Toblerone-Würfel, hat Konkurrenz bekommen. Triests wichtigstes Wahrzeichen seit März 2022 ist die 400-Millionen-Euro-Oligarchenyacht weit draußen kurz vor Duino. EU-Sanktionen gegen Russland halten das Schiff hier fest. Von überall ist es zu sehen. Bereits wenn man in die Stadt herunterfährt, winkt die Yacht mit ihren drei Riesenmasten herüber. In der Morgensonnen schickt sie sonnig glitzernde Grüße über die Wellen. Ihr bedrohlicher Stahlkörper strahlt dann heller als der Faro della Vittoria in dunkelster Nacht.
Wirtshäuser sind besser, preiswerter und weniger überlaufen, je weiter man sich vom Zentrum wegbewegt. Das ist keine neue Erkenntnis und gilt wohl für alle Städte. Die kleine Zone, in der es sich zu suchen lohnt, bevor dann gar nichts mehr ist, ist in der Hafenstadt allerdings schmal.
Später in der Bar laufen Italopop-Klassiker, obwohl da keine Touristen sind. Der Barmann pfeift die Melodien mit, und manchmal bewegt er sogar seine Lippen zu den abgedroschenen Zeilen.
(Triest/sl)

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